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„Kommse heute auch mit anne Castroper?“ 

Neben der Königsallee ist die „Castroper“ wohl die berühmteste Straße in Bochum. „Anne Castroper“ ist nicht nur in der Stadt oder im Ruhrgebiet, sondern über die Landesgrenzen hinaus ein Begriff, wenn es um Fußball und das Schmuckkästchen Ruhrstadion geht.

Von der Biermeile zum Bierstreit
Die Castroper Straße im Wandel der Zeit
Die Geschichte des Biers in Bochum ist auch die Geschichte der Castroper Straße. Schließlich versorgten Anfang des vergangenen Jahrhunderts gleich drei Brauereien die Bochumer vonne Castroper aus mit frischem Gerstensaft.

„Der Dreiklang von Kohle, Stahl und Bier“ war um die vorletzte Jahrhundertwende noch der starke und stolze Werbeslogan des Ruhrgebiets. Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie im Zusammenschluss mit den Großbrauereien machte das Revier ab Ende des 19. Jahrhunderts zum industriellen Schwerpunkt Westfalens. Doch kaum eine Region in Deutschland steht so sehr für den Begriff „Wandel“ wie das Ruhrgebiet, und auch die Bestandteile des Dreiklangs erfuhren diesen Wandel.

Das Ruhrgebiet im Wandel

Die beginnende Industrialisierung durch den Kohlebergbau sowie die eisen- und stahlverarbeitenden Werke in Bochum Mitte des 19. Jahrhundert waren guter Nährboden für viele kleine Brauereibetriebe in der Stadt. Die Nachfrage nach Bier stieg mit der industriellen Entwicklung. 1897 zählte man 22 Brauereien im gesamten Stadtgebiet. Es waren Ein-Mann- oder Familienbetriebe, die mit ihrem Ausschank ihre eigenen Kleinbetriebe unterhielten und nur für den Verkauf in einer Schankstätte brauten. Große Lieferungen waren aufgrund fehlender Transportapparate nicht möglich. Auch die begrenzte Haltbarkeit des beliebten Getränks machte den Betrieben einen Strich durch die Rechnung. Zeitgleich stieg auch der Anspruch an die Qualität des Bieres erheblich. 1869 formulierte die Handelskammer die Problematik in einer Anmerkung: „die kleinen Brauereien verschwinden immer mehr, während die größeren den Betrieb mit Hilfe der Maschinenkraft erweitern.“ Viele Kleinbetriebe konnten sich nicht mehr halten, denn Brauerei und Schankbetrieb trennte sich immer entscheidender voneinander. Im Laufe der folgenden Zeit verschwanden die Kleinbetriebe aus dem Stadtbild.

1907 gab es in Bochum noch acht Brauerei ein. Alleine drei davon waren an der Castroper Straße angesiedelt. Die Bergbrauerei A.G.  (Castroper Straße 2), die Viktoria Brauerei (Castroper Straße 7) und die größte damalige Brauerei von Arnold Fiege (Castroper Straße 5) gaben der Straße die volkstümliche Bezeichnung „Biermeile“. Die 1878 an der Ringstraße 25 gegründete Moritz-Fiege Brauerei von Johann Knühl-Fiege hatte allerdings nichts mit der Brauerei des Namens Vetters Arnold zu tun. Bei Heinrich Moritz Fiege (1765-1829) trennten sich die Stimme Arnold und Moritz Fiege.

Die Brauherren traten in Wettstreit um die Gunst der arbeitenden Bevölkerung an der Castroper Straße. Zum einen kamen diese von der Gewerkschaft Constantin der Große, die 1858 mit dem Bau der Zeche Herminenglück-Liborius zwischen der Castroper und der Karl-Lange-Straße begonnen hatte. 1862 wurde der Betrieb im Schacht Ritterburg aufgenommen, quasi direkt gegenüber dem heutigen Stadionsgelände. 1892 taufte man das Bergwerk in Constantin III um. Zum anderen singen im selben Jahr (1892) die Bauarbeiten für das „Königliche preußische Zentralgefängnis“ an. Die Vöde wurde von der Stadt Bochum kostenlos an den Preußischen Staat zum Bau eines Zentralgefängnisses übereignet. Viele Bauarbeiter, Bergleute und Angestellte des Gefängnisses löscht dann ihren Durst bei einem verdienten Feierabendbier.

Konzentrationsprozess im Brauereiwesen

Bis zum ersten Weltkrieg (1914-1918) erlebte die Bochumer Brauindustrie einen rasanten Aufschwung. Doch der Krieg und die schwierigen Jahre danach sorgten für Rohstoffmangel, Qualitätsabfall des Gerstensafts und wirtschaftliche Probleme der Brauereien. Um zu überleben, waren Fusionen und Bündnissen von Brauhäuser nötig. Was vor der Jahrhundertwende nur kleine Betriebe betraf – und deren trauriges Schicksal besiegelt – muss nun auch die größeren Gewerbe erleben. Zahlungs Engpässe und nachfragen Rückgang Socken 1918 dafür dass ich die beiden großen Brauereien, die Schlegel- und die Scharpenseel-Brauerei vereinigten. im selben Jahr fusionierte auch die an der Castroper Straße liegende Victoria-Brauerei AG und die ihr schräg gegenüber liegende Bochumer Bergbrauerei AG.

Dieser Konzentrationsprozess im Bochumer Brauereiwesen dauerte über zehn Jahre. 1928 waren fast alle Brauhäuser in der Hand der Schlegel- Scherpenseel AG, die ihren Sitz an der Alleestraße hatte. Nur das Traditionshaus August Rietkötter, dass noch bis 1948 an der Eulengasse 9 in der Altstadt braute, und die Brauerei Moritz Fiege blieben selbstständige Unternehmen. Die kleineren Anlagen der fusionierten Betriebe wurden stillgelegt, abgerissen oder umgebaut, so dass an der Castroper Straße in der Gegenwart nicht mehr viel von Braukunst zu sehen ist. An der Castroper Straße dominieren heute nicht mehr die Schlote der Brauereien, sondern beispielsweise Gotteshäuser verschiedene Religionen: so findet „anne Castroper“ neben der Fußball-„Kathedrale“ Ruhrstadion eine Synagoge (neben dem Planetarium, Nr. 67), eine Moschee (im deutsch-türkischen Kulturverein, Nr. 218) und eine katholische Kirche (Nr. 239) ihren Platz.

Aber auch das Bier hat bis heute in Bochum seinen festen Platz: die Schlegel-Brauerei, die zwischenzeitlich ihr Bier im Ruhrstadion ausschenkte, wurde zwar im Zuge der wirtschaftlichen Konzentration des deutschen Brauereigewerbes 1971 von der Dortmunder Union-Schultheiss Brauerei AG geschluckt und die Produktion im Juli 1980 eingestellt. Doch die Brauerei Moritz Fiege steht in Bochum nach wie vor für die Tradition und heimische Braukunst.  Das Unternehmen hat in Bochum nicht nur einen treuen und zuverlässigen Kundenkreis, sondern steht auch wie kein zweiter Betrieb für Identifikation mit der Stadt und dem VfL Bochum.

Seit dem Jahr 2000 ist die Privatbrauerei Fiege unter der Leitung von Hugo und Jürgen Fiege Partner des VfL. Das Bier können die Fans im Stadion schon seit Jahrzehnten genießen. Erst im Juni 2010 gab es an der Castroper Straße wieder einen „Bierstreit“. Dem Fußball-Bundesligisten lag offenbar eine reizvoller Offerte eines anderen überregionalen Brauch heißt es vor. „Kaum ein Thema wurde von der Buche mal Bevölkerung so stark diskutiert“, erklärte Jürgen Fiege. Der „Bierstreit“ wurde schnell wieder beigelegt und der Vertrag bis 2012/13 verlängert. In Bochum lautet der Dreiklang schon lange nicht mehr zur „Kohle, Stahl und Bier“ – aber Bier hat die harten Zeiten von Krieg und ist industriellen Wandel in Bochum überstanden. (Aus dem Buch „Anne Castroper – Ein Jahrhundert Fußball Mitten in Bochum“ – S. 22/23 von David Nienhaus)

Aber die Castroper Straße hat noch mehr zu bieten als den VfL Bochum. Früher war die Straße eine Brauereimeile, heute lockt das Planetarium oder das erfolgreichste Musical der Welt „Starlight Express“ zehntausende Besucher im Jahr anne Castroper. Von der neuen Synagoge über den Kirmesplatz bis hin zur Justizvollzugsanstalt Krümmede, die eben 1871 als Königlich Preußisches Zentralgefängnis gebaut wurde, die Straße hat viele Gesichter.

Diese Gesichter und die Geschichten dahinter werden im Blog erzählt. Journalist und Fotograf David Nienhaus porträtiert die Menschen anne Castroper – inspiriert vom Blog humansofnewyork.com.

Die Castroper Straße in Bochum - anne Castroper - das Blog.

Die Castroper Straße in Bochum.